Zeichensprache

Tina Grütter und Gabriele Lutz (Hrsg.): «Wilfrid Moser als Zeichner. Taumel der Grossstadt und Crazy Horse Spring». 72 S. Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2014. Fr. 29.-.

 

WM Zeichner

 

Nicht nur als Maler und Plastiker hat sich der Schweizer Künstler Wilfrid Moser (1914-1997) einen Namen gemacht, auch sein zeichnerisches Werk ist bemerkenswert. Zum hundertsten Geburtstag wurde es von der Fondation Wilfrid Moser inventarisiert und eine Auswahl in einem ansprechend gestalteten Buch mit 51 farbigen Abbildungen herausgegeben. Eindrücklich die Pastell- und Ölkreidezeichnungen, die in den vierziger und sechziger Jahren in Paris entstanden: bewegte Metro- und Strassenszenen oder Momentaufnahmen aus der unmittelbaren Nachbarschaft von Mosers Atelier, die er mit schnellem Strich zu Papier brachte. Ein wiederkehrendes Sujet ist die Metzgerei im Parterre gegenüber mit den aufgehängten Tierleibern, aber auch das Leben in den oberen Etagen, wo «Les demoiselles d’Avignon», wie er sie betitelt, ihr Gewerbe betreiben. Fast malerisch wirken die «Maisons ouvertes», bei denen er Einblicke ins Innere der Häuser gewährt und die Räume zu farbigen Flächen abstrahiert. Mitunter hält die griechische Mythologie Einzug ins Pariser Stadtleben – die unterirdischen Gänge der Metro werden zu verworrenen Raumgebilden oder Treppenläufen transformiert und lassen Assoziationen zum Hades aufkommen. Auch die Themenbereiche Kampf und Krieg beschäftigen den Künstler zeitlebens und zeigen sich unter anderem in zeichenhaft reduzierten «Pferd und Reiter»-Motiven oder als kontrastreiche Fels- und Gesteinsbilder. Die Beiträge von Tina Grütter und Gabriele Lutz geben einen vertieften Einblick in das zuweilen geheimnisvolle Werk und die Gedankenwelt eines sich stets auf der Suche befindenden Künstlers.

 

Neue Zürcher Zeitung Feuilleton 12.11.15 Nr. 263 S. 38.