Bildstarke Zeitreise

Caroline Weis

 

Eine Ausstellung lotet Schweizer TV-Geschichte aus

Einst verteufelt, ist es heute ein Massenmedium, das in fast jedem Haushalt gleich mehrfach anzutreffen ist: das Fernsehen. Der Entwicklung der Schweizer Television widmet das Historische Museum Basel (HMB) eine Retrospektion in Form von Archivaufnahmen, Fotografien und Objekten aus verschiedenen TV-Epochen.

Konzipiert wurde die Schau von der Firma Teamstratenwerth GmbH, die vor drei Jahren im Bahnhof St. Johann die Ausstellung ‹Hier & dort› zur Basler Geschichte realisierte. So wie das Theater Gastspiele organisiere, sei es auch für das HMB selbstverständlich, mit externen Ausstellungsmachern zu kooperieren, sagt Museumsdirektorin Marie-Paule Jungblut. Sie sei sofort von der Idee begeistert gewesen, die sehr gut ins Museum für Geschichte passe.

 

Kritischer Anfang

Der Fernseh-Versuchsbetrieb, den die Radio-Genossenschaft Basel ab 1951 vorantrieb, ermöglichte es den Muba-Gästen im Jahr darauf, erstmals eine Fernsehübertragung zu sehen, die von Heiner Gautschy geleitet wurde, um das Publikum mit dem neuen Medium vertraut zu machen. 1953 strahlte das Studio Bellerive in Zürich die erste ‹Tagesschau› aus, mit einem Beitrag zur Eröffnung des Flughafens Kloten. Obwohl das Fernsehen in seinen Anfängen eine breite Gegnerschaft hatte – man befürchtete, es würde das Familienleben zerstören und die Jugend verderben – setzte es sich durch und entwickelte sich in den folgenden Jahren rasant. 1964 wurde das Werbefernsehen eingeführt, vier Jahre später gab es bereits das Farbfernsehen, und 1969 boomte der TV-Geräteverkauf, denn die die Mondlandung der Apollo 11 wollte man sich nicht entgehen lassen.

 

Beliebte Köpfe und Sendungen

In drei grossen Räumen im Erdgeschoss des Museums wird das Phänomen Fernsehen als immenser Erinnerungsspeicher helvetischer Geschichte und Lebensart präsentiert. Das Publikum kann mitverfolgen, welche soziokulturellen Veränderungen in Politik, Sport, Werbung und Mode sowie in den Moralvorstellungen, dem Frauenbild und der Kindererziehung während der vergangenen sechs Jahrzehnte stattgefunden haben. Man trifft alte Bekannte wie den Reiseschriftsteller René Gardi, den Naturforscher Hans A. Traber, Stars wie Caterina Valente oder Hazy Osterwald, aber auch kluge Köpfe aus dem Bereich von Sprache und Literatur, wie Franz Hohler, Laure Wyss oder Friedrich Dürrenmatt, um nur einige zu nennen.

Grossen Unterhaltungswert haben Filmausschnitte von unvergesslichen Sendungen wie ‹Karussell›, ‹Spielhuus› oder ‹Teleboy› mit den Highlights der versteckten Kamera: der Kiosk auf dem Matterhorn oder das Ungeheuer im Vierwaldstättersee. Sehenswert sind ausserdem die Exponate, etwa der Drehstuhl, in dem die beliebte Basler Moderatorin Heidi Abel sass, wenn sie heimatlose Tiere über den Sender vermittelte.

 

Neuorientierung

Als das Schweizer Fernsehen Mitte der 1980er-Jahre das staatliche Monopol verliert, entsteht ein neuer internationaler Fernsehmarkt, und die Quotenschlacht beginnt: «Die Flaggschiffsendungen ‹10 vor 10›, ‹Kassensturz› oder ‹Fascht e Familie› mussten sich gegen eine Armada reisserischer Formate, von ‹Big Brother› bis ‹Tutti Frutti zur Wehr› setzen um eine Restmenge von plötzlich übersteigerter Schweizer Selbstinszenierung zu bewahren», erklärt Christoph Stratenwerth. Daran hat sich bis heute nichts geändert, trotz der neuen Medien, die in den letzten zwei Jahrzehnten noch dazugekommen sind. Die Ausstellung präsentiert sich reflektiert und humorvoll mit etwas Nostalgie versetzt – und vielleicht ist dieser Rückblick auf 60 Jahre Fernsehgeschichte gerade deshalb so schön.

 

‹Flimmerkiste. 60 Jahre Fernsehen zwischen Illusion und Wirklichkeit›: Do 18.9., 18.30 (Vernissage), bis So 8.2.15, Museum für Geschichte, Barfüsserkirche

 

Programmzeitung   September 2014   Seite 23